Der Germinator (2): Der Akkusativ ist dem Dativ sein Tod

27.11.2014

Da lese ich doch im Qualitätsmedium Spiegel Online soeben folgenden Halbsatz: "... und bestehen Sie auf ein schriftliches Protokoll der Bekämpfungsmaßnahme." Es geht um Silberfischchen und wie man sie loswird, aber das nur nebenbei.

Das Verb "bestehen" fordert also scheinbar nicht mehr zwingend den Dativ, also "... auf einem schriftlichen Protokoll ...". Diese mir neue Verwendung ist mir schon häufiger untergekommen und hat sich - wenn ich mich nicht sehr täusche - deshalb eingeschlichen, weil das Wörtchen "darauf", das dem Verb "bestehen" meist folgt, unklaren Charakters ist. "Ich bestehe darauf" - kann als akkusativische oder aber dativische Konstruktion verstanden werden. Wer letzteres unterstellt, wird dann vermutlich auch in anderen Zusammenhängen den Dativ verwenden.

Ich habe ja bei derlei immer gern die Hamburger im Blick. Die sagen ja auch Sachen wie "Ich erinnere das" statt "Ich erinnere mich daran" oder "Wir gedenken dem teuren Toten" statt "... des teuren Toten". Wobei letzteres neuerdings fast schon der neue Standard ist.

Leute - so geht das doch nicht! Da müsst Ihr euch nicht wundern, wenn die totale Kasusverwirrung ausbricht, die Anarchie der Fälle. Wir haben im Deutschen das schöne Privileg, dass wir noch vier Fälle haben, auch wenn sie sich anhand der deklinierten Formen allein oft nicht mehr sauber bestimmen lassen, vgl. der Mensch, des/dem/den Menschen. Aber da, wo wir sie haben, könnten wir sie doch korrekt und stolz verwenden, die Flexionsformen - zumal wenn sie von einem Verb oder einer Präposition gefordert werden.

Ich bestehe auf ein korrektes Deutsch, jawoll.

Haushalt nebenbei: Ein bisschen Echo

25.11.2014

Ganz netter Beitrag in der Augsburger Allgemeinen zu "Haushalt nebenbei". Ist zwar schon ein paar Tage alt, doch Haushaltsthemen sind ja bekanntlich Dauerbrenner. Und wo wir schon dabei sind: Über diese Rezension auf docfood.info habe ich mich echt gefreut, weil sie nicht nur den Klappentext wiederkäut, sondern da jemand das Buch tatsächlich gelesen bzw. ausprobiert hat.

Der Germinator (Folge 1): Wenn Patjomkin Potemkin besiegt

07.10.2014

War das schön, als ich heute morgen die Berliner Zeitung aufschlug: Auf der Panorama-Seite, in einem Beitrag zum Besuch Gorbatschows zum 40. Republikgeburtstag vor 25 Jahren, stand doch tatsächlich: Er sah ein Potjomkinsches Dorf. Ein potjomkinsches! Kein potemkinsches, wie sonst immer zu lesen. Da weiß offenbar einer, dass das kyrillische "e" mit zwei Pünktchen drüber nicht als "e", sondern als "jo" ausgesprochen wird. Danke, Markus Decker!

Warum ist das der Rede wert? Zum einen, weil russische Wörter in aller Regel falsch in lateinische Buchstaben transkribiert werden. Warum da so ist - keine Ahnung. Natürlich gibt es schwierige Fälle, etwa das russische Weichheitszeichen, das - sofern nicht gänzlich ignoriert - etwa am Ende von "Glasnostj" als "j" transkribiert wird, obwohl es eher wie ein "ch"-Laut in "ich" ausgesprochen wird. In aller Regel lassen sich aber russische Wörter wie "Perestrojka", "Sowjet" oder "Pawlow" problemlos mit lateinischen Buchstaben darstellen.

Dummerweise - und das ist der zweite Punkt - hat jedoch die Uno, EU, G8 oder ein anderes wichtiges Gremium irgendwann beschlossen, bei der Transkription die englische Schreibweise zugrunde zu legen. Das hat fatale Folgen. Nicht nur, dass der russische "Ach"-Laut im Englischen als "kh" erscheint und dann von Deutschen konsequenterweise als "k" gesprochen wird (nicht nur die Stabhochspringerin Lisa Ryzich ["Ryzikh"] und der Fußballspieler Henrich Mchitarjan ["Mkhitarjan"] können ein Lied davon singen). Bei diesem ungeschlachten Vorgehen werden sämtliche Erweichungen gekappt. Ich erinnere mich: Tennisprofi Andrej Medwedjew wurde erst dann nicht mehr "Medwedev" genannt, als sein Namensvetter russischer Präsident wurde und sich die richtige Aussprache sozusagen auf dem Dienstweg durchsetzte. Der schöne Name Fjodorow wird penetrant zu "Fedorov" gemacht. Nicht selten liest man für den Vornamen Georgi die Transkription "Georgyj". Gut, dass Putin so einen leicht auszusprechenden (und zu transkribierenden) Namen hat...

Dritter Punkt: An französischen, spanischen oder italienischen Wörtern würde sich der gemeine Westeuropäer nie derart versündigen - zumindest nicht bewusst. Das fiele ja auf, da würde man ja sehen, dass einer keine Ahnung hat. Da ist man sich auch nicht zu blöd, zwei "capucchini" zu bestellen, obwohl der Plural hier gar nicht nötig wäre. Fast bin ich froh, wenn sich Leute im Restaurant "Gnotschi" und "Bruschetta" kommen lassen. Fast genauso froh, wie über Herrn Deckers korrekte Potjomkinsche Dörfer. Nur eben auf der anderen Seite des Dorfes - da, wo die Schadenfreude wohnt.

Wir reden hier übrigens noch nicht davon, dass das russische unbetonte "o" (wie im Anlaut von Potjomkin) "Murmellaut" heißt und wie ein "a" gesprochen wird - also "Patjomkin". Nein, also wirklich. Die Russen müssen sich gar nicht wundern, dass niemand ihre Sprache spricht.

Apropos Mchitarjan (siehe oben): Der ist zwar Armenier und kein Russe, doch bleibt er deshalb mitnichten von westlicher Sprachignoranz verschont. Im Gegenteil. Er, der im deutschen Fernsehen flächendeckend "Mickitárjan" genannt wird, bekam sogar den Spitznamen "Mickey" verpasst. Dabei hat sein - korrekt ausgesprochener - Name mit Mickey so viel zu tun wie der von Ciro Immobile mit Eigenheim (ähem, hüstel). Die Lautkombination "Mch" zu Beginn lähmt offenbar schon beim Hinschauen jedem westdeutschen (und skandalöserweise zunehmend auch im Osten ausgebildeten wie Herrn Skulski vom ZDF - hier vollendet sich der Anschluss der DDR auf ganz besondere Weise) Fußball-Kommentator derart die Zunge, dass er eine korrekte Aussprache gar nicht erst versucht. Dabei wäre es so einfach, das "M" allenfalls anzudeuten und den Rest schön langsam auszusprechen, mit Betonung auf dem letzten "a". Strengt euch an, Leute! Bei Mchitarjans Mannschaftskollegen Pierre-Emerick Aubamejang hat's doch nach ein paar Anlaufschwierigkeiten auch geklappt - aber der ist ja auch Franzose bzw. stammt aus der Ex-Kolonie Gabun.

Ommmm. Konzentrieren. Drei-zwo-eins. Und jetzt alle so: "Chitarján". Und jetzt mit angedeutetem "M": Mchitarján.

Mchitarján!

Beeindruckendes Buch zu einem schwierigen Thema

30.09.2014

Mir war das Thema "Krebs" immer zu groß - doch eine Freundin, die vor ein paar Jahren ebenfalls erkrankt war, hat sich herangewagt. Ich kann das gerade bei Herder erschienene Buch "Fische gegen Krebs" von Sonja Funke sehr empfehlen, was ich in einer heute verfassten Rezension auf Amazon auf tue. Wer sich traut: Hier kommt man ganz nah heran an die Krankheit, hier wird nichts beschönigt - aber dennoch Mut gemacht.

Krieg der Reproduktionsmediziner

29.09.2014

Ganz und gar furchtbar finde ich, was derzeit in Sachen Reproduktionsmedizin in Deutschland abgeht. Da werden Frauen als Zeuginnen vor den Kadi gezerrt und müssen intime Details ihrer Behandlungen preisgeben. Warum? Weil deutsche Reproduktionsmediziner um ihre Einnahmen fürchten, wenn Paare mit unerfülltem Kinderwunsch sich lieber in Österreich oder Tschechien behandeln lassen, wo es kein Methusalem-Gesetz gibt, das ihre Chancen drastisch beschneidet. Und der Clou: Längst handhaben auch deutsche Ärzte das Ganze deutlich lockerer - weil Juristen plötzlich entdeckt haben, dass man das Embryonenschutzgesetz liberaler auslegen darf. Höchstrichterliche Klärung des ganzen Sachverhaltes? Gesetzesnovelle? Fehlanzeige!

Statt dessen verklagt man lieber die Kollegen, die mit ausländischen Zentren kooperieren. Dabei nimmt man billigend in Kauf, dass der Streit auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen wird, die nichts sehnlicher wollen als ein Kind. Die Frauen selbst machen sich zwar nicht strafbar - aber wer will schon vor Gericht gegen den Arzt aussagen müssen, der einem maßgeblich geholfen hat, endlich, endlich schwanger zu werden?

Vielen herzlichen Dank, Herr Dr. M., dass Sie als Beschuldigter dafür gesorgt haben, dass im Berliner Prozess keine Ihrer Patientinnen geladen wurden, die Sie an Prof. Zech nach Bregenz vermittelt haben.

P.S. Sehr gut recherchierte und sachliche Beiträge zu diesem Thema veröffentlicht übrigens regelmäßig die taz. Chapeau!

"Haushalt nebenbei" in test 10/2014

29.09.2014

Kräftiger Rückenwind für "Haushalt nebenbei": In der gerade erschienenen Oktober-Ausgabe des Magazins "test" steht auf S. 57 der Beitrag "Putzmittel - fünf sind genug". Darunter ein Hinweis auf das Buch - mit Coverabbildung, also so, wie es sich Verlagsleiter (und Autoren) als Verkaufsförderung wünschen. Danke an alle Beteiligten!

P.S. Die kostenlose Online-Version der Meldung steht übrigens hier. Sich das ganze Heft zu kaufen schadet aber trotzdem nix. Und wer weitere clevere, einfache, erstaunliche und amüsante Tipps braucht, kann sich hier das Buch bestellen.

Binsenweisheiten 1: TV-Auftritte pushen Buchverkauf

10.09.2014

Puuuh - der Auftritt gestern Abend im TV-Magazin "zibb" des rbb lief gut, trotz zweier Tipps, die ich live und in Farbe vorführen musste. Da zittert schon mal das Händchen - aber zum Glück für die Zuschauer nicht sichtbar. Und siehe da: "Haushalt nebenbei" liegt bei Amazon mittlerweile auf Verkaufsrang 350. Ob's an meinem Charisma lag oder dem sehr hilfreichen Moderator, Uwe Madel?

Haushalt nebenbei - der Countdown läuft

26.06.2014

Am 19. August erscheint mein neues Buch Haushalt nebenbei bei der Stiftung Warentest - ein Tipp nicht nur für Putzteufel. Im Gegenteil: Gerade jene, die sich gern um die Hausarbeit drücken oder immer erst um fünf vor zwölf loslegen, finden hier haufenweise Tipps, wie man ohne Umwege und mit cleveren Tricks alles im Griff behält.

Einfach schon mal vorbestellen, so lange der Vorrat reicht ;-)

Janine aus dem Tatort - kriminell durch IVF?

12.05.2014

Guter Kölner Tatort gestern: Gewalttätige Jugendliche schlagen einen jungen Mann auf dem Bahnsteig tot und versuchen danach, sich feige und dreist aus der Affäre zu stehlen. Interessant auch die jeweiligen Familienverhältnisse, die die jungen Leute auf die schiefe Bahn geraten ließen: Einmal der alleinerziehende und völlig überforderte Vater, der von seinem Sohn zusammengeschlagen wird, dann die Richterin, die überhaupt keinen Draht mehr zu ihrem Sohn hat, dort das Paar, das sich seit Jahren nichts mehr zu sagen hat, nachdem es ein Kind doch so sehr wollte, sogar medizinische Hilfe in Anspruch nahm und das Mädchen dann - als es endlich geklappt hatte - in Watte packte. Nur Liebe gab es nicht - oder wie Ballauf sagte: "Emotionen unterm Gefrierpunkt". Das musste das Mädchen ja böse und kriminell werden.

Leider ist diese Ursachenforschung insgesamt Blödsinn (siehe auch Filmkritik auf stern.de) und strotzt im Detail vor sachlichen Fehlern. Der Vater erzählte, das Mädchen sei durch Insemination gezeugt worden - eine "hochkomplizierte Sache". Ist es aber nicht. Die Insemination ist eine der, wenn nicht die einfachste Form der künstlichen Befruchtung - ist aber eigentlich nur eine unterstützende Maßnahme und im engeren Sinn nicht mal IVF. Dabei wrd der Frau über einen Katheter der vorher aufbereitete Samen des Mannes durch die Vagina in die Gebärmutter gespült, um so für die Spermien den Weg zur befruchtungsfähigen Eizelle zu verkürzen. Die Frau wird in manchen Fällen vorher hormonell stimuliert (ein, zwei Spritzen), damit die Eizelle sich auch gut entwickelt. Dann wird der Eisprung wiederum durch ein Hormon ausgelöst. Das alles muss aber nicht sein. Es gibt auch die "Insemination im Spontanzyklus".

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass zwar auch dieser Weg mit psychischen Belastungen verbunden ist - mit den Strapazen im Vorfeld einer klassischen Reagenzglasbefruchtung (IVF oder ICSI) und dem wochenlangen Spritzen und Tablettenschlucken zur Stimulation der Eierstöcke ist das jedoch kaum zu vergleichen.

An einer anderen Stelle sagt die Frau im Film, sie hätte seit der Geburt ihrer Tochter nicht mehr mit ihrem Mann geschlafen, weil der Sex nach Zeitplan im Rahmen der Kinderwunschbehandlung sie nervlich so fertiggemacht und das körperliche Verlangen zerstört hätte. Abgesehen davon, dass das keineswegs zwangsläufig so ist, kann derart geplanter Geschlechtsverkehr mit dem Ziel einer Schwangerschaft natürlich schlimme Folgen für die Beziehung haben. Sex nach der Uhr, während der Arzt den weiblichen Zyklus überwacht und grünes Licht für Sex gibt bzw. darauf drängt, ist aber wieder eine andere Variante, mit der sich Paare ihren Kinderwunsch erfüllen können - wenn man so will, noch eine Stufe unter der Insemination. Hätte das Drehbuch meiner Ansicht nach erklären müssen.

Richtig gestört hat mich aber der unterschwellige Eindruck, der bei vielen Zuschauern hängengeblieben sein dürfte: Durch künstliche Befruchtung entstandene Kinder werden von ihren Eltern kritiklos verhätschelt, dürfen alles, kennen keine Grenzen mehr und geraten so fast zwangsläufig mit dem Gesetz in Konflikt. Das ist Blödsinn! Genauso könnte man Studien heranziehen, die besagen, dass IVF-Kinder es im Leben weiter bringen, weil ihre Eltern sich ihnen voller Liebe und Aufmerksamkeit widmen - mehr als "normale" Eltern dies gemeinhin tun. Das ist auch übertrieben, weil es die Unterscheidung "natürlich gezeugt / künstlich befruchtet" zementiert. Sind aber letztlich nur zwei Seiten derselben Medaille.

Ich bin sicherlich voreingenommen - aber wer schon mal erleben durfte, welchen Vorwürfen sich ungewollt Kinderlose in Internetforen ausgesetzt sehen (von wegen "egoistische Typen, die nicht akzeptieren können, dass die Natur für sie keine Kinder vorgesehen hat" oder "wird schon seinen Grund haben, wenn manche kinderlos bleiben sollen" oder "warum warten diese Karrieretypen auch so lange?"), der wünscht sich zumindest eine etwas differenzierendere Darstellung.

Klar, das war nicht das Thema des Films. Trotzdem wäre gerade in dieser Hinsicht ein wenig Fingerspitzengefühl wohltuend. In einem anderen Tatort vor ca. zwei Jahren war der unfruchtbare Mann am Ende der fiese Mörder. Scheinbar müssen Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch aus irgendeinem Grund immer ins Zwielicht gesetzt werden.

Ich würde dagegen gern mal eine richtige Heldengeschichte im "Tatort" sehen, mit einem Kinderwunschpaar in der Hauptrolle.

Auf der Flucht vor der Putzfrau - Der neue Mann (5)

27.03.2014

Wie jeden Donnerstag Morgen flüchte ich vor der Putzfrau.

Kasia heißt sie, kommt aus Polen und ist weder unfreundlich noch gewalttätig. Im Gegenteil. Das Problem ist: Sie kann kein Deutsch. Ich wiederum hatte in der Schule drei Jahre Polnisch. Das hilft mir 25 Jahre später leider herzlich wenig. Ich könnte zwar noch immer einiges zur Geschichte der Kommunistischen Partei Polens sagen, auch ein paar Zungenbrecher fallen mir noch ein ("W Szczebrzeszynie chrzÄ…szcz brzmi w trzcinie"). Aber wenn Kasia redet, verstehe ich nur "dworzec", das heißt Bahnhof. Nicht als ihr Arbeitgeber, sondern als Mensch ist mir das peinlich. Als sie die ersten Male kam, stand ich da und dachte: Was zum Teufel machen wir hier? Warum stehen sich Menschen, die nicht dieselbe Sprache sprechen, freiwillig in meinem Flur gegenüber und versuchen, mit Händen und Füßen zu klären, welche Putzmittel gekauft werden müssen? Das Ganze führte dazu, dass ich Marie und Isabella nach dem Aufstehen pausenlos antreibe, kurz vor halb neun mit ihnen ins Auto hechte und losdüse. Kasia wird schon einen Zettel schreiben, wenn sie was will.

Nachdem ich meine Damen an der U-Bahn und im Kindergarten abgeliefert habe, fahre ich weiter zur Steglitzer Shoppingmeile und setze mich dort im Foyer eines Einkaufzentrums auf eine mit Leder gepolsterte Bank. Hier, zwischen H&M, Anson's und Goertz, habe ich kostenlos WLan, aber nur für eine Stunde. Wenn ich nicht aufpasse, fliege ich beim Schreiben einer Mail achtkantig aus dem Internet. Deshalb rase ich rechtzeitig in die Stadtteil-Bibliothek im 3. Stock, lasse mir dort ein Code-Kärtchen geben und komme damit weitere zwei Stunden ins Netz. Blöd nur, wenn die Bibliothek wegen einer Betriebsversammlung erst mittags aufmacht - wie vor zwei Wochen.Dann stehe ich eine Weile dumm da, kann nicht glauben, was ich da lesen muss - und verbringe dann die restliche Zeit im Auto. Ich war auch schon manchmal zum Nordic Walking auf dem Mauerweg unterwegs, mit der kranken Paulina stundenlang im Café oder habe den Großeinkauf vorgezogen. Nur nicht zu Hause sein.

Derzeit, wie gesagt, sitze ich meist in der Bibliothek, auf meinem Stammplatz am Fenster, da, wo die Steckdosen sind. Ich logge mich ins Redaktionssystem meines Auftraggebers ein und hacke mein Buch herunter. Hinter mir zocken Schüler verbotenerweise und ziemlich lautstark an den öffenlichen Computern. Mir gegenüber sitzt ein Rentner und motzt vor sich hin, dass das hier früher mal eine Bibliothek war und kein Computercafé.

Berlin, morgens um zehn. Fehlt nur noch das Großstadt-Knoppers - das ist bei mir die Bockwurst, die ich mir eine Stunde später am Wurststand im Erdgeschoss reinpfeife.

Müsste ich alles nicht machen. Ich könnte auch zu Hause sitzen und Kasia herumscheuchen, wenn sie mich stört. Es gibt sicherlich Menschen, die das lieber tun würden. Schließlich zahlen sie ihr gutes Geld - wenn auch wenig davon und schwarz - und die Putzfrau soll doch froh sein, dass sie putzen darf.

Ich dagegen? Mich plagt mein schlesischer Bauernstolz, Erbstück meiner Großmutter. Den eigenen Dreck von jemand anderem wegputzen zu lassen? Eigentlich undenkbar. Diesem Jemand auch noch dabei zusehen müssen, wie er mir meinen Dreck wegputzt? Völlig ausgeschlossen.

Dann schon lieber abhauen.