Kuschelzone Küchenherd

15.01.2014

Dieser Tage hat die Zeitschrift "Eltern" die Väterstudie 2013 vorgestellt. Demnach würden deutsche Papas zwar gern mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen - dafür jedoch nicht ihre Ernährerrolle aufgeben bzw. auf Karriere verzichten. Entsprechenden Druck machen nicht nur sie sich selbst, sondern vor allem auch ihre Frauen. Die wollen am liebsten ganz Mama sein und - wenn überhaupt - nur halbtags "etwas dazuverdienen". Hallo?

Paare, die sich Broterwerb und Kindesbetreuung teilen wollen, lässt dagegen das von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) zu Jahresbeginn vorgestellte Modell hoffen, wonach Eltern kleiner Kinder die Chance bekommen sollen, nur 32 Stunden pro Woche - also rund 80 Prozent Teilzeit - zu arbeiten und sich die Differenz vom Staat bezahlen zu lassen. Abgesehen davon, dass die Beteiligten offenbar nicht fähig sind, ein an sich gutes Konzept der Öffentlichkeit verständlich zu erklären - von den üblichen Verdächtigen (Opposition, Arbeitgeber) kommt wieder mal nichts als Gegenwind. Hauptargument: Wer soll das bezahlen?

So wird das nix, liebe Leute. Wollen wir ein familienfreundlicheres Land schaffen oder nicht? Sollen moderne Partnerschaftsmodelle gefördert werden oder bleiben wir geschlechterrollentechnisch auf dem Stand der Adenauerzeit? Brauchen wir eine gezielte Förderung von Familien oder Instrumente wie das Ehegatten-Splitting, die Frauen letztlich vom Arbeitsmarkt fernhalten?

In Sachen Pofalla...

08.01.2014

Was ich Ex-Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) übelnehme ist nicht sein geplanter Wechsel zu einem Unternehmen wie der Deutschen Bahn AG. Auch nicht, dass er eine Anstandsfrist nicht für nötig hielt. Wütend macht mich nicht einmal so sehr die Tatsache, dass manche Volksvertreter ihre Kontakte und ihr Know-how in der Wirtschaft schamlos zu Geld machen und nicht im Traum auf die Idee kommen, dies könnte anrüchig sein.

Das alles ist wahrscheinlich der Lauf der Dinge und nicht zu ändern.

Geradezu widerlich finde ich es aber, dass er seine Wähler für dumm verkauft, indem er sich zuerst erneut in den Bundestag wählen lässt, um dann seinen plötzlichen Ausstieg anzukündigen - ausgerechnet mit dem Argument, er wolle sich um seine junge Lebensgefährtin kümmern und mit ihr eine Familie gründen. Jetzt stellt sich raus: Stimmt alles nicht! Ich ärgere mich, wie ich so blöd sein konnte, seiner Ankündigung zu glauben. Obwohl ich den Mann alles andere als sympathisch finde, hatte ich gedacht: Respekt, Pofalla. Nur die alte Geschichte mit Bosbach und seiner "Fresse" hatte mich davor bewahrt, euphorisch zu werden. So einer taugt irgendwie nicht als Vorkämpfer für die Familie, dachte ich. Der brüllt später vielleicht auch seine Kinder an oder haut ihnen kurzerhand eine rein.

Wie auch immer. Auf jeden Fall hat Ronald Pofalla uns "moderne" Männer, die der Familie wegen auf Karriere verzichten, gründlich verarscht. Wer erwartet hatte, dass hier einer für Frau und Kind - wenn auch nur vorübergehend - kürzertritt und unter all den jobfixierten Alphamännchen mal ein Zeichen setzt, muss sich verhöhnt fühlen. Und Pofalla? Denkt sich wahrscheinlich: Selbst Schuld, wenn ein paar Idioten das geglaubt haben.

Ja, Pofalla. Das haben wir. Und jetzt: Verpiss dich, bitte - wohin auch immer.

Alles zum Wickeln!

14.11.2013

Platzhirsche, Alphatiere, Macher! Ihr seid gemeint! Männer, wo seid Ihr, wenn es darum geht, für eure Kinder da zu sein? Zwei Alibimonate Elternzeit reichen nicht - und so lange es solche Schilder nur an den Klotüren von IKEA gibt, bleibt noch jede Menge zu tun.

IKEA Toilette

Die Arbeit ruft

13.11.2013

Er sagt immer "Agamemnon" statt "angenommen", so sehr hatte er seinen Homer gelesen. Frei nach dem Aphorismus von Georg Christoph Lichtenberg hier die Fassung für Schreiberlinge: Statt "Autorennbahn" las ich heute morgen in der Zeitung "Autoren-Bahn". Was sagt mir das? Dass ich mich schleunigst an den Schreibtisch setzen sollte, um daselbst meine Bahnen als Autor zu ziehen - statt meine Zeit mit Zeitungslektüre zu vergeuden.

Deutschland 2060: Schöne, neue Welt

11.11.2013

Ich sitze in einer dieser Senioren-Bars und blättere auf dem Tablet ein paar News durch. Die Kellnerin bringt mir meinen Tee. Die ist auch schon im Rentenalter, hätte man früher gesagt, doch jüngere Bedienungen sind Mangelware – und auch das Rentenalter gibt es nicht mehr. Wer nicht am Hungertuch nagen will, muss so lange arbeiten wie es irgendwie geht. Es sei denn, er erbt – doch dieses Glück trifft mit Vorliebe die, denen es ohnehin gut geht. Immerhin: Dass niemand mehr Ältere einstellt, wie es Anfang des Jahrhunderts gang und gäbe war, ist Vergangenheit. Viele Unternehmen würden sonst kaum noch Mitarbeiter finden.

Dass ich mal 90 werde, hätte ich auch nie gedacht. Um mich herum sind viele schon 100 – manche geradezu obszön rüstig. Sie haben immer gesund gelebt, sagen sie. Und genau das machen sie auch heute - es steht ihnen ja auch zu, sagen sie. Sie gehen natürlich nur in Bio-Restaurants, kleiden sich schadstoffrei und lassen ihre Haushaltshilfen Obst und Gemüse in einer dieser Erzeugerkooperativen einkaufen – ab und zu auch mal Fleisch. Wer es nicht so üppig hat, muss dagegen wie eh und je zum Supermarkt. Wenn ich mich recht erinnere, konnte man in meiner Jugend selbst als besser Situierter noch dort einkaufen. Heute, wo Begriffe wie „Industrie“, „Chemie“ und "Gentechnik" endgültig zu Schimpfwörtern geworden sind, verkehren dort nur noch arme Leute.

Alt und arm – davon gibt es ganze Heerscharen. Nichts fürs Alter zurückgelegt, jetzt haben sie den Salat. Andererseits: Wovon sollte ein Arbeitsloser damals Geld zurücklegen? Der Staat zahlte schon früher nur das Nötigste. Als irgendwann auch die Rentenversicherung zusammenbrach, taten alle ganz überrascht. Als hätte man sich das nicht denken  können. Kinder? Wer überhaupt welche hat, hat sie aus dem Blick verloren. Sie sind längst erwachsen und leben meist in der ganzen Welt verstreut. Wurde man früher von seinem Arbeitgeber noch nach London oder New York geschickt, geht es heute nach Shongqing oder Shenyang in China, nach Delhi oder Sao Paulo. Dort ist das Geld, dort findet das Leben statt, dort gibt es jede Menge junge Leute. Die wissen gar nicht wohin mit ihren Arbeitskräften.

Deutschland dagegen ist ein einziges großes Altenheim. Fachleute müssen teuer eingekauft werden. Man sieht kaum noch Jüngere – und wenn, dann ist man regelrecht erstaunt. Kindergeschrei habe ich lange nicht mehr gehört.

Wann hat das angefangen? Wann haben wir uns so verrechnet? Das muss vor 40, 50 Jahren gewesen sein, als plötzlich keiner mehr Kinder wollte. Zu teuer, hieß es, zu anstrengend und vor allem: Karrierekiller. Wer sich um Kinder kümmern muss, ist für Unternehmen ein Risikofaktor: abgelenkt, nicht mehr permanent verfügbar und latent widerspenstig.

Mal ins Netz schauen: Da – im November 2013 meldete das Statistische Bundesamt, dass nur noch 80 Prozent der Frauen zwischen 40 und 44 Jahren Kinder hätten, von den gut ausgebildeten Frauen in Großstädten aber nur noch die reichliche Hälfte. Ich erinnere mich: Damals dachten wir schon, dass sei besorgniserregend – aber wir irrten uns gründlich. Das war erst der Anfang. Heute sind die wenigen Kinder vor allem eines: Statussymbole. Auf der einen Seite für Armut, auf der anderen für Reichtum.

Still ist es geworden in Deutschland und freudlos. Das haben wir davon. Jetzt hocken wir aufeinander, wir Alten, und trösten uns mit dem von unseren Wirtschaftswundereltern geerbten Geld. Wenn schon nicht zufrieden, sind wir wenigstens wohlhabend.

Geheimnisse der Vorratshaltung (Der neue Mann IV)

02.11.2013

Kaffee. Was ich jetzt brauche ist ein Kaffee. Neun Uhr morgens, ich komme gerade zurück nach Hause. Isabella habe ich am U-Bahnhof abgesetzt, Marie ins Getümmel des Kindergartens entlassen. Der erste Punkt auf der Liste ist abgehakt. Jetzt kann mein Arbeitstag beginnen.

Könnte. Eigentlich. Denn eine bleierne Müdigkeit kriecht mir gerade in die Knochen. War wohl doch zu spät gestern Abend. Noch ein Stündchen hinlegen? Kurz liebäugele ich mit dieser Option – wozu ist man denn freischaffend – dann schiebe ich sie beiseite.

Also Kaffee. Ich schaufele Bohnen in die Mühle, schreddere sie durch, schütte das duftende, braune Mehl in den Filter, fülle Wasser in die Maschine, drücke aufs Knöpfchen – und spüre, wie meine Stimmung steigt. Noch eine Tasse vom Regal geangelt, Milch aus dem Kühlschrank gen...

Mitten in der Bewegung bleibt mein Arm in der Luft hängen. Im Kühlschrank ist gar keine Milch. Keine Milch nirgends. Keine volle Tüte, keine fast leere, noch nicht einmal eines dieser Plasteteile mit Kondensmilch. Kaffee ohne Milch kommt für mich nicht in Frage, das ist wie Bockwurst ohne Senf. Ungenießbar.

Ich spüre Wut in mir aufsteigen. Ich bin mir sicher, gestern noch zwei Milchtüten gesehen zu haben – eine davon voll. Die andere sehe ich im Mülleimer liegen. Leer. Wo ist die volle? Mir kommt ein vertrauter Gedanke: Isabella. Für den Kaffee auf Arbeit nimmt sie sich öfter mal eine Milch mit, da ihre Redaktion in einer Gegend liegt, wo es keinerlei Supermärkte oder Edeka-Läden gibt. Ich habe sie hundertmal gebeten, mir Bescheid zu sagen, wenn sie merkt, dass uns zu Hause etwas ausgeht: Haferflocken, Pfefferminztee – oder eben Milch. Hundertmal? Ach was, tausendmal! Schließlich bin ich der Mann und lege die Vorräte an. Wie in der Steinzeit. Nur dass wir Männer die Reserven heute auf Bestellung nachfüllen können und früher nur, wenn gerade ein Mammut vorbeikam.

„Schatz“, sage ich immer. „Bitte sag' mir Bescheid, wenn du die letzte Milchpappe mitnimmst.“

Maulen. Dann der Gegenangriff.

„Weißt du eigentlich, um wie viele Dinge ich mich morgens kümmern muss? Wenn ich jetzt auch noch jedes Mal Bescheid sagen soll, wenn ich mir etwas aus dem Schrank nehme, werde ich überhaupt nicht mehr fertig.“

Mein Hinweis, sie könne es ja auf einen Einkaufszettel notieren, wenn sie nicht sprechen wolle, wird dann mit einem Blick quittiert, der mir sagt, dass ein Tornado im Anmarsch ist. Wir einigen uns dann jedes Mal darauf, dass sich künftig jeder Mühe gibt und den anderen nicht mit überzogenen Forderungen traktiert. Ein Minimalkonsens, der uns kaum voranbringt.

Der Kaffee ist fertig. Ich habe keine Milch. Was müsste ich tun, damit sich vor mir wenigstens ein Tetrapak mit H-Milch materialisiert? Mir fällt nichts ein.

Keine Milch. Das ist für meine Ansprüche von vorausschauender Haushaltsführung ungefähr der Super-Gau. Wo ich doch regelmäßig einen Ersatz-Senf, Ersatz-Ketchup und Ersatz-Saure-Gurken-Gläser in den Vorratsschrank packe, lange noch bevor die alten sich dem Ende neigen. Wo ich halbe Brote und Butterstücke einfriere, nur, damit wir nicht Not leiden müssen. Von Nudeln, Reis und Tomaten-Konserven gar nicht zu reden.

Das führt doch zu nichts, sage ich mir, und begreife trotzdem nur langsam: Weder alte Meriten, noch ohnmächtige Wut noch heftiges Wünschen werden mir jetzt helfen.

Gegen meine innerste Überzeugung und gegen meinen Willen öffne ich die Wohnungstür, laufe zwei Meter über den Flur und klingele bei den Nachbarn.

Eine Minute später sitze ich vor meinem dampfenden Kaffee, in den ich gerade widerwillig einen Schluck "geborgte" Milch gekippt habe und frage mich zwei Dinge: Muss ich ein anderes System installieren, eines, dass „Just-ran-out-of-something“-Situationen verhindert? Und: Muss ich mich wirklich immer so haben, wenn ich andere Leute um etwas bitten soll?

Unerfüllter Kinderwunsch: Ärztestreit auf dem Rücken der Paare

17.10.2013

Endlich scheint Bewegung in ein Thema zu kommen, über das ich schon in "Endlich Papa" geschrieben habe und dass mir sehr am Herzen liegt. Deutschen Kinderwunsch-Patienten wird derzeit von hiesigen Gynäkologen systematisch der Weg ins Ausland - und damit häufig zu erfolgverprechenden, aber bei uns verbotenen, Therapieverfahren - abgeschnitten. Das machen diese Vertreter ihrer Zunft, indem sie deutsche Berufskollegen, die Patienten dabei helfen wollen, diffamieren und anzeigen.

Damit nicht genug: Im stillen Kämmerlein praktizieren viele deutsche Reproduktionsmediziner teilweise längst ähnliche Verfahren wie im Ausland - und haben dafür einen juristischen Winkelzug konstruiert - den, wie sie es nennen, "deutschen Mittelweg". Dabei handelt es sich um eine liberale Auslegung des deutschen Embryonenschutzgesetzes, dessen rigide Einschränkungen keiner mehr zeitgemäß findet, an die sich jedoch kein Politiker herantraut.

Ob der Mittelweg nun legal ist oder illegal: Leidtragende sind die Patienten, die sich in Deutschland unter Umständen in eine rechtliche Grauzone begeben - aber de facto auch nicht ins Ausland können, weil sich kaum ein Arzt mehr traut, die dafür nötigen Voruntersuchungen, Ultraschall etc. zu machen. Tut er es doch, drohen ihm eine Anzeige, ein Strafverfahren und bei einer Verurteilung sogar drei Jahre Gefängnis! Das alles geschieht  in Zeiten der EU-weiten Dienstleistungsfreiheit...

Jeder halbwegs kundige und unvoreingenommene Beobachter fragt sich da: Wenn der "deutsche Mittelweg", wie von etlichen deutschen IVF-Zentren behauptet, so gute Schwangerschaftsraten bringt - warum lässt man dann Paare nicht selbst entscheiden, wo sie sich behandlen lassen? Warum zeigen deutsche Mediziner dann Berufskollegen an, die an Auslandstherapien mitwirken? Geht es am Ende doch nur darum, sich eine Art Gebietsschutz zu organisieren, damit das Geld, das deutsche Paare investieren, auch in deutschen Praxen landet?

Das alles führt zu einer entscheidenden Frage, vor der ein Wegducken immer schwieriger wird: Wann trauen sich endlich der Gesetzgeber bzw. das Bundesfamilienministerium, diese unerträglichen Zustände zu beenden, und stellen das Embryonenschutzgesetz auf den Prüfstand?

Dieser Tage sind in deutschen Medien zwei Beiträge zu diesem Thema erschienen, die ich allen Betroffenen und am Thema Interessierten nur ans Herz legen kann: zum einen "Strafsache Kinderwunsch" in der ZEIT und am vergangenen Wochenende "Die Eizelle aus Spanien" in der taz.

Posteingänge und wie man sie leert

01.10.2013

Saß ich früher in der Redaktion am Schreibtisch und starrte auf die unbeantworteten Mails auf meinem Bildschirm, bekam ich schlagartig schlechte Laune. Wochen-, monate-, manchmal jahrelang dümpelten manche Nachrichten da herum. Dabei handelte es sich um Dinge wie die ausnahmsweise interessante Pressemitteilung einer Bank oder den Vorschlag einer PR-Agentur, doch ein Telefonforum für Leser zu organisieren. Einmal forderte mich ein Leser doch tatsächlich auf, für ihn seine Steuererklärung zu machen - aber dazu später. Im Ganzen waren es also Mails, die nach Arbeit aussahen - die aber nicht wirklich dringend waren. Oft nicht einmal wichtig.

Um nicht leichtfertig Ideen zu verschenken oder gar ignorant zu sein, hob ich sie dennoch auf. Vorläufig. Bis ich Zeit haben würde, mich damit zu beschäftigen.

Mein Posteingang schwoll an - und ich hatte das Gefühl, dass jede Menge Arbeit unerledigt war. Nur der hat schließlich seinen Laden im Griff, dachte ich, der seinen Posteingang bis zum Feierabend geleert hat.

Doch in mir regte sich Widerstand. Wann, bitte, sollte ich denn die Mails beantworten, wenn ich ständig in Meetings saß? Wie sollte ich mich von einer Idee anregen lassen, wenn neue Themen ohnehin kaum mal im Heft landeten? Solche Fragen stellte ich mir dann - während die Mails unberührt vor sich hinwelkten und meine Laune immer mieser wurde. Ich hasste diesen Zustand, hasste die Mails und irgendwie auch die Menschen, die sie an mich geschickt hatten.

Irgendwann geschah etwas Überraschendes: Die ältesten Nachrichten warien m Lauf der Zeit immer weiter nuach unten gerutscht und wurden schließlich von den neueren aus dem Bildschirmfenster geschoben. Weg waren sie, meine Zombie-Mails. Nicht eine, die ich vermisst hätte. Ich scrollte schnell nach unten, markierte die Mails mit einem Klick und drückte dann die "Delete"-Taste

Da ich kurzerhand auch den "Gelöscht"-Ordner leerte, war ich die untersten Schichten meines Postfach-Bodensatzes für immer los - leider jedoch aufgeschmissen, als mein Chef mich einmal nach dem Rentner mit der Steuererklärung fragte. Der Mann hatte bei ihm angerufen und sich über meine Untätigkeit beschwert.

Jedenfalls beschloss ich, endlich nicht mehr Sklave meines Posteingangs zu sein und mich künftig an ein paar Regeln zu halten. Dieser Entschluss fiel zusammen mit meiner Entscheidung, mich selbstständig zu machen.

Regel 1: Jede Mail lesen, statt sie zu überfliegen. Regel 2: Sofort entscheiden, ob die Mail wichtig bzw. nützlich ist oder nicht. Falls nicht - löschen! Regel 3: Unterordner nur für Mails anlegen, die wichtig oder nützlich sind. Regel 4: Unterordner einmal wöchentlich ausmisten. Mindestens!

Das schafft nicht nur Ordnung. Auch meine Laune ist seitdem erheblich besser.

 

 

Der neue Mann (Teil 3)

25.09.2013

„Papa, darf ich Kikaninchen schauen, wenn Mama weg ist?“

Es ist morgens kurz nach sieben. Meine Tochter steht vor meinem Bett und schaut mich mit großen Augen an. Meine Frau ist schon im Bad und wird in zehn Minuten die Wohnung verlassen, weil sie um acht Uhr in der Redaktion sein will.

„Aber du bist doch krank, Schatz“, murmele ich schlaftrunken, „und kranke Kinder gehören ins Bett.

„Ach, biiiiitte“, orgelt Marie und muss gleich wieder husten. „Nur ein paar Stunden.“

Nun kann man von einer Viereinhalbjährigen wahrscheinlich nicht verlangen, den Unterschied zwischen einer Viertelstunde und dreieinhalb Stunden zu kennen. Doch Marie ist da anders: Wenn sie „ein paar Stunden“ sagt, dann meint sie das auch so. Schlimmer noch: Wenn sie nicht in die Kita kann, ich aber unbedingt an den Schreibtisch muss, lief der Kinderkanal schon manches Mal bis in den Vormittag hinein.

Ich sage mir dann, dass der KiKa einen öffentlich-rechtlichen Programmauftrag hat und die Grundversorgung sicherstellen soll – in diesem Fall halt für Kinder – und dass Super RTL, Nickelodeon und der Cartoon Channel die Kleinen mit ihrem Mega-Krawumm-Weltraum-Monster-Gedöns viel mehr verblöden. Klar: Der Kinderkanal ist letztlich auch Bespaßung, auch wenn sie in Gestalt des Kikaninchens, des blauen Elefanten oder von Feuerwehrmann Sam leicht verdaulich und sogar lehrreich daherkommt. Trotzdem weigere ich mich, ein schlechtes Gewissen zu haben.

Meine Theorie: Gar kein oder zu wenig Fernsehen ist auch keine Lösung. Woher soll ein Kind Medienkompetenz lernen, wenn es keine Medien konsumieren darf?

Kürzlich war Maries Freundin Lisa bei uns zu Besuch, die zu Hause nur Baby-Sendungen wie "Bob der Baumeister" anschauen darf. Marie wollte mit ihr den Cinderella-Trickfilm gucken, den sie weitgehend auswendig kennt. Doch schon bei der Eingangsszene, als Aschenputtel morgens von ihren Freunden, den Mäusen, geweckt wird, bekam Lisa Angst und wir mussten den Film wieder ausschalten. Angst bekam Lisa auch, als Isabella und ich vor kurzem auf Maries Geburtstagsfeier mit Handpuppen Kasperletheater spielten. Demnächst teste ich mal, ob Lisa auch vor einer Tageszeitung oder einem PC-Bildschirm Angst hat.

Nicht zu beneiden ist meine Frau. Einerseits findet sie es irgendwie bedenklich, dass Marie ziemlich viel vor der Glotze sitzt. Andererseits merkt sie, dass die Kleine davon profitiert. Marie beherrscht Wendingen wie "Das kannst Du laut sagen, Mama" und "Schlag' Dir aus dem Kopf, dass ich ins Bett gehe". Dank "Sendung mit der Maus" weiß sie, dass das Weltall unendlich ist und warum es Heizkraftwerke gibt. Isabella ist in der Zwickmühle: Selbst, wenn sie wollte - sie könnte wenig Unterstützung anbieten, da sie den ganzen Tag arbeitet. Da sie aber eine Frau ist, wird sie deutlich öfter als ich von anderen Müttern angesprochen. Isabella erfährt von ihnen erstaunliche Dinge. Dass Fernsehen passiv macht. Dass man Kinder auf keinen Fall überfordern darf. Dass es viel besser für ihre Entwicklung sei, wenn man Kinder fördert, indem man sie dauernd zum Karate-Training oder Pony-Reiten fährt.

Was für mich Belege der Überspanntheit werdender Helikopter-Eltern sind, bringt Isabella regelmäßig ins Grübeln: Was, wenn wir Marie schaden, ohne es zu wollen? Wenn Marie Alpträume bekommt oder gar Dauerschäden davonträgt? Ich schraube mich dann jedesmal aus meinem Schreibtischsessel hoch und appelliere an Isabellas gesunden Menschenverstand. Warum soll nicht beides gehen: Fernsehen und Ballett? Und würden wir es nicht merken, wenn das Fernsehen unserer Tochter schadet?

Genug davon. Ich gehe im Kopf kurz meinen Plan für den Tag durch: Das Exposé für mein nächstes Buch muss geschrieben werden, außerdem ist ein Ratgeber-Text abzugeben.

„Okay, Schatz“, ächze ich und setze mich im Bett auf. „Geh' schon mal ins Wohnzimmer. Aber heute höchstens eine Stunde.“

"Waaas? Nur eine Stunde?", fragt Marie empört, zockelt aber los. Scheinbar hält sie es für möglich, dass ich es mir anders überlege. Und das ist doch schon mal ein gutes Zeichen.

Augen auf beim Sport!

29.08.2013

Woran erkennt man, dass das Durchschnittsalter im Fitness-Studio jenseits der 50 liegt? Wenn im Schwimmbecken mehr Leute hin- und herlaufen als schwimmen.